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Gedenk- und Informationsort für die Opfer der nationalsozialistischen "Euthanasie"-Morde Tiergartenstraße 4 - Berlin Aquarell von Janna Falkenstein, 2020 |
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Es gibt kein Verständnis von Gegenwart und Zukunft ohne Erinnerung an die Vergangenheit!
2. September 2014 - Eröffnung des Erinnerungsortes an der Tiergartenstraße 4 Welch ein bewegender und denkwürdiger Tag! Fast auf den Tag genau 75 Jahre nach Hitlers „Euthanasie"-Erlass wurde am historischen Ort Tiergartenstraße 4 in Berlin der zentrale Gedenk- und Informationsort für die Opfer der nationalsozialistischen »Euthanasie«-Morde feierlich der Öffentlichkeit übergeben. Am historischen Ort, an dem die systematische Massentötung von psychisch kranken, geistig und körperlich behinderten, sowie »rassisch« und sozial unerwünschten Menschen geplant und organisiert wurde, wird der Opfer gedacht und zugleich über die Geschichte der nationalsozialistischen »Euthanasie«-Morde mit ihren Auswirkungen bis in die Gegenwart hinein informiert. "Erinnerung ist aber noch mehr als das Andenken zu pflegen. An die Opfer der Aktion T4 zu erinnern, heißt auch der menschenverachtenden Unterscheidung zwischen lebenswert und lebensunwertem Leben die Überzeugung entgegenzusetzen, dass jedes menschliche Leben es wert ist, gelebt und geliebt zu werden.“ (aus der Eröffnungsrede der Kulturstaatsministerin Monika Grütters)
Der Runde Tisch zur Tiergartenstraße 4 2007 hatte Professor Nachama von der Stiftung Topographie des Terrors mit mir gemeinsam einen Runden Tisch initiiert. In den Folgejahren gelang es durch politische und gesellschaftliche Überzeugungs- und Öffentlichkeitsarbeit den historischen Ort „Tiergartenstraße 4" deutlicher sichtbar machen und ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu bringen. Am 10. November 2011 beschloss der Deutsche Bundestag, einen zentralen "Gedenk- und Informationsort für die Opfer der NS-"Euthanasie"-Morde" auf dem historischen Areal Tiergartenstraße 4 zu errichten. Seit 2014 - Ein Ort des Gedenkens und der Information 2014 - welche Veränderung! Auf Straßenschildern der Umgebung wird auf den Erinnerungsort hingewiesen. Die ehemalige Busendhaltestelle an der Philharmonie ist verschwunden. Stattdessen ist auf dem historischen Areal ein künstlerisch gestalteter Gedenkort entstanden. Er wird begleitet von einer Freiluftausstellung, die über die Geschichte der nationalsozialistischen "Euthanasie"-Morde mit ihren Auswirkungen bis in die Gegenwart hinein informiert. Eine Grünfläche rahmt den Erinnerungsort ein. Die Gedenktafel wurde in das Gesamtensemble integriert, und auch die Serra Skulptur steht noch da. Neu sind drei von der Tiergartenstraße zur Philharmonie verlaufende Elemente. Sie gliedern den Ort: in der Mitte eine 24 Meter lange und 2,6 Meter hohe halbtransparente blaue Glaswand, links davon eine lange Sitzbank aus Beton und auf der rechten Seite ein lang gestrecktes Pult als Informationsträger für eine Open-Air-Dokumentation. Es gibt Medienstationen mit Video- und Audiomaterial. Die Angebote richten sich an Menschen mit Seh- bzw. Hörbeeinträchtigungen oder Lernschwierigkeiten. Alle Texte werden in leichter Sprache und in Englisch präsentiert. Die Ausstellung wird außerdem durch eine Online-Präsentation und verschiedene Kataloge ergänzt. Erinnern heißt gedenken und informieren
Die historischen Inhalte für die
Ausstellung wurden im Rahmen des von der Deutschen Gedenkort und Lernort seit 2014 Als ich 2014 anlässlich der Eröffnung am Rednerpult in der Philharmonie stand, habe ich drei Wünsche geäußert: "Möge der Erinnerungsort, den wir hier eröffnen, ein Ort des Gedenkens aber auch des Nachdenkens sein. Möge dieser Ort unseren Blick schärfen auf eine Gesellschaft, die Menschen immer noch allzu oft nach Kosten und Nutzen, nach ihrem vermeintlichen Wert oder Unwert bemisst. Möge dieser Ort die Herzen der Menschen berühren und etwas in ihren Köpfen bewegen und so einen Beitrag leisten zur Gestaltung einer solidarischen und inklusiven Gesellschaft, die niemanden ausgrenzt und Individualität und Vielfalt der Menschen wertschätzt. Eine bessere Form des Gedenkens an die Opfer kann ich mir kaum vorstellen." Redebeitrag » Fünf Jahre nach den Eröffnungsfeierlichkeiten, am 30. August 2019, stand ich erneut im Foyer der Philharmonie und durfte ein Grußwort sprechen. Im Rückblick auf die vergangenen fünf Jahre fragte ich: "Sind meine Wünsche in Erfüllung gegangen?" Meine Antwort: "Ja, hier ist tatsächlich ein Ort des Gedenkens entstanden. Wann immer ich draußen vorbeigehe, sehe ich Menschen, vertieft in die Informationen, häufig mit nachdenklichem Gesichtsausdruck. Es ist zugleich ein Lernort, der Teil einer deutschlandweiten Entwicklung ist. Die Wahrnehmung der "Euthanasie"-Verbrechen im öffentlichen und familiären Bewusstsein hat sich in den letzten Jahren verändert - ein Wandel der Erinnerungskultur, der sich widerspiegelt in zahlreichen Gedenkaktivitäten überall im Land. Auch immer mehr Angehörige arbeiten die Schicksale ihrer ermordeten Verwandten auf. Ihre Geschichten - Geschichten wie die von Anna - zeigen, wie wichtig es ist, genau hinzusehen, hinzuhören, zu widersprechen und falls nötig zu handeln, wenn Einzelne oder Gruppen nach ihrer Nützlichkeit, ihrem vermeintlichen Wert oder Unwert bemessen werden. Nötiger denn je in Zeiten, in denen nationalistische und rassistische Ideologien an Boden gewinnen!" Grußwort » Gedenken und Erinnerung an die Opfer Zentraler Bestandteil der Ausstellung an der Tiergartenstraße 4 ist das Gedenken und die Erinnerung an die Opfer der NS-„Euthanasie". Exemplarisch für die zahllosen Opfer dieser ersten zentral organisierten Massenvernichtungsaktion während der Zeit des Nationalsozialismus werden die Kurzbiografien von zehn Menschen vorgestellt. Ihre Namen sind Karl, Martin, Irmgard, Wilhelmine, Fjodor, Ilsze, Mary, Grigorij, Wilhelm und Anna. An der Tiergartenstraße 4 wird deutlich, dass sie - wie wir alle - Menschen mit unterschiedlichsten Lebenswegen waren. Gemeinsam ist ihnen die Aberkennung ihres Lebensrechts im Namen einer menschenverachtenden Ideologie. Auf den Seiten der Stiftung Denkmal gibt es folgende Informationen: - Irmgard Denker, geb. Borchers
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Wilhelmine Haußner - Ilsze Lekschas, geb. Jakumeit - Mary Pünjer, geb. Kümmermann Anna Lehnkering - eine von zehn Kurzbiografien Eine der Biografien ist die meiner Tante Anna Lehnkering. Ich empfinde es nach wie vor als einen Akt später Gerechtigkeit, dass ihr an der Tiergartenstraße 4, am Ort der Täter, Gesicht und Namen und damit wenigstens symbolisch etwas von ihrer Identität und Würde zurückgegeben wird. Die Täter haben das Leben von Anna zerstört, aber es ist ihnen nicht gelungen, die Erinnerung an sie auszulöschen! Am Tag der feierlichen Eröffnung habe ich an Anna erinnert, aber nicht nur an sie. "Dies ist heute ein Tag gegen das Vergessen, ein Tag der Erinnerung, ein Tag des Gedenkens nicht nur an Anna sondern an alle Menschen, die ihr Schicksal teilten - darunter unzählige immer noch vergessene und namenlose Opfer. Mehr als siebzig Jahre nach den Verbrechen schulden wir ihnen endlich einen Platz im Gedächtnis unserer Familien, im kollektiven Gedächtnis unseres Landes." Redebeitrag »
Es ist überaus erfreulich, dass der Erinnerungsort an der Tiergartenstraße 4 das ganze Jahr über von vielen Menschen aus aller Welt besucht wird. Hier die Reaktion einer Besucherin aus den USA: "... For now, it is suffice to say that Anna has touched me deeply, and I will carry her story with me as I continue to live and thrive as a dyslexic learner – her memory always in my mind." - zum kompletten Text ... Jedes Mal, wenn ich Anna "besuche", erfüllt es mich mit tiefer Freude, dass ich zum Entstehen des Erinnerungsortes beigetragen habe. Es war ein ganz besonderer Moment für mich, als ich 2022 zum ersten Mal mit meiner achtjährigen Enkeltochter dort stand, die ihrer Urgroßtante eine Rose brachte. Wir sprachen über Anna und über das, was geschehen ist. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft schienen eins zu werden und mündeten in dem Wunsch, dass Vergleichbares nie wieder geschehen möge! In diesem Sinne hoffe ich sehr, dass weiterhin viele Besucher und Besucherinnen des Gedenk- und Informationsortes an der Tiergartenstraße 4 die Erinnerung an die ermordeten Menschen und die Botschaft, die von ihren Lebensgeschichten ausgeht, weitertragen werden!
Jährliche Gedenkveranstaltungen an der Tiergartenstraße 4 Seit 2007 fand jeweils Ende August/Anfang September eine Gedenkveranstaltung bzw. ein Symposium an der Tiergartenstraße 4 statt. Die Veranstaltungen wurden getragen vom Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener und dem "Aktionskreises 'T4'-Opfer nicht vergessen" (ein Zusammenschluss von Verbänden und Organisationen der bundesdeutschen Psychiatrie). Das Ganze wurde maßgeblich initiiert von Ruth Fricke (1948-2021), einer rastlosen Kämpferin für die Belange psychisch erkrankter Menschen - immer an ihrer Seite Reinhard Wojke (1957-2021). Es ist unter anderem Ruth und Reinhard zu verdanken, dass der vergessene Ort zunehmend im öffentlichen und politischen Bewusstsein wahrgenommen wurde. Seit einigen Jahren werden die an zwei Tagen stattfindenden Veranstaltungen vom Förderkreis Gedenkort T4, der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, den Verbänden des Kontaktgesprächs Psychiatrie in Kooperation mit der Stiftung Topographie des Terrors durchgeführt.
Seit 2010 wird auf Initiative des Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen jährlich am 27. Januar der Opfer von Zwangssterilisation und "Euthanasie" im Nationalsozialismus gedacht.
26./31. Januar 2024 Gedenkveranstaltungen zur Erinnerung an die Opfer der NS-"Euthanasie"
Vertiefende Informationen zum Erinnerungsort
Nachdenkliches zum Gedenkort von Dr. Hartmut Traub, Neffe eines NS-"Euthanasie"-Opfers, geschrieben anlässlich der Eröffnung im September 2014 "... Die folgenden Deutungsaspekte zur Gestaltung des Denkmals zum Gedenken an die Opfer der NS- „Euthanasie“ sind Resultate meines ganz persönlichen Nachdenkens über die in seiner künstlerischen Gestaltung angelegte Symbolik. Manches lehnt sich an das an, was ich dazu schon gehört und gelesen habe. Meine Sammlung von Denk-Punkten erhebt daher selbstverständlich keinen Anspruch auf Exklusivität. Vielleicht hilft sie aber, bei einem Denkmal von dieser Bedeutung etwas länger gedanklich zu verharren, um über die schnelle Kritik oder die ästhetische Ratlosigkeit hinwegzukommen und dem Ereignis, dessen hier gedacht werden soll, den ihm gebührenden Respekt zu verschaffen. ..." gesamter Text » |
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